Tanke schön
Vergleich Volvo 780 Bertone
TD und Peugeot
406 Coupé HDI
Ein Dieselmotor in einem Coupé mit schönem italienischem
Design, wie passt das zusammen? Volvo hat es Mitte der
achtziger Jahre vorgemacht, und Peugeot zieht mit dem
aktuellen 406 nach. Wir stellen die Nagler auf die
Probe.
Crossover heißt das neue Zauberwort der Autoentwicklung:
Renault kreuzt im Avantime Van mit Coupé, Porsche im neuen
Cayenne Gelände und Sportwagen. Nicht weniger gegensätzlich
sind die genetischen Anlagen des jüngsten Coups von Peugeot –
der Mix aus Diesel und Coupé. Eigentlich ein Unding: Ein Coupé
hat kultiviert, exklusiv und unpraktisch zu sein; also
ziemlich genau das Gegenteil dessen, was man von einem Diesel
erwartet. Oder dem Klischee eines Diesels.
Denn dank aktueller Common-Rail-Technik ist heute alles
anders – gute Selbstzünder sind fast genauso laufruhig, dank
Partikelfilter blitzsauber und kraft ihres höheren Drehmoments
sogar durchzugsstärker als Benzinmotoren. Deshalb liegt
Peugeot genau richtig, erstmals einen Diesel in eine
Coupé-Karosse eines italienischen Design-Gurus zu
transplantieren.
Erstmals? Auch wenn ihn nur wenige kennen – das von den
Franzosen als kleine Revolution verkündete HDI-Coupé im
Italo-Kleid hat einen Vorgänger. Begonnen hat alles in Monaco,
im Februar 1982.
Da stellte Volvo sein neues Spitzenmodell 760 GLE Der
Presse vor. Einige Topmanager nutzten die Chance, Nuccio
Bertone im nahen Turin zu besuchen , um ein neues Projekt zu
besprechen. Es ging um einen Nachfolger für den bis 1981 bei
Bertone gebauten 262C – das mehr skurrile als schöne und wie
eine gechoppte Version der 264-Limousine wirkende
Plattdach-Coupé .
Der Maestro war von dem neuen 780-Projekt so begeistert,
dass er die Hälfte der Entwicklungskosten von 180 Millionen
Kronen auf seine Kappe nahm. Im März 1985 wurde das Ergebnis
auf dem Genfer Salon präsentiert.
Auf der nahezu unveränderten Technik des 760 entwarf
Bertone ein schlichtes Blechkleid, das die Anforderungen an
gutes Design geradezu idealtypisch erfüllt: Der 780 ist ein
schönes Auto, und er wahrt die Markenidentität, er ist auf
Anhieb als Volvo zu erkennen. Einige Kritiker werfen ihm bis
heute vor, zu neutral und unspektalulär, ja geradezu
langweilig zu wirken. Doch diese Sicht der Dinge verrät wenig
Kennerschaft. Die Seitenansicht bestimmt eine
zeitlos-ästhetische Linie, Front und Heck sind aufgeräumt und
klar gegliedert. Die flacher verlaufende C-Säule macht das
Erscheinungsbild harmonischer und eleganter als beim
viertürigen 760, von dem das Bertone-Coupé kein einziges
Blechteil übernimmt.
Die Proportionen gewinnen durch die Tatsache, dass der 780
auf dem unveränderten Limousinen-Radstand von 2,77 Meter
aufbaut und sogar einen Zentimeter länger ist als das
viertürige Pendant. Den Trick mit dem ungekürzten Chassis
hatte zuvor Pininfarina mit Erfolg praktiziert.
Das gelungene Fiat 130 Coupé, dem der Volvo im Charakter
ähnelt, ist ebenfalls länger als die 130-Limousine. Lange und
flache Autos sind einfach schöner als kurze und hohe. Ganz
nebenbei bieten sie noch vernünftige Rücksitze. Wohin dagegen
ein allzu sehr gekürzter Radstand führen kann, musste Lancia
in Form des pummeligen gefloppten Lancia Kappa Coupé
erfahren.
Der 780 ist ein Muster an dezentem Understatement. Im
Innenraum verwöhnen zweifarbiges Leder, elektrische Helfer
aller Art, Klima- und HiFi-Anlage sowie eine
Wurzelholztäfelung aus elf Lagen verleimter Buche mit einer
Lage besonders ausgesuchten Ulmanholzes. Ein hochklassiger,
teurer Gran Turismo ohne eine Spur von Protz, Pomp oder
Angeberei. Ähnlich sah es Tester Michael Koenig in auto motor
und sport 1986: „Es werden Anklänge an das BMW-Coupé, den
Maserati Biturbo und, als Krönung jener selten gewordenen
Spezies Auto, den Ferrari 412 wach.“
Im Preis war der 780 ähnlich entrückt wie die zuvor
genannten Modelle. Mit 54 Millionen Lire in Italien und 75 000
Franken in der Schweiz war er für den Normalbürger
unerschwinglich teuer. In Deutschland wurde er nie offiziell
importiert, weil er über 90 000 Mark hätte kosten müssen. Aber
der 780 bot etwas, das kein anderer hatte – einen Dieselmotor
in einem Coupé.
Es war nicht irgendein Dieselmotor, der da zum Einsatz kam.
Der 2,4-Liter-Reihensechszylinder mit Turboaufladung und
Intercooler leistete stramme 129 PS. Mit 185 km/h
Höchstgeschwindigkeit war das Coupé einer der schnellsten
Serien-Diesel aller Zeiten.
Dabei war die Herkunft des Triebwerks zutiefst bieder.
Volkswagen hatte das zunächst nur 75 PS leistende Aggregat für
den LT-Transporter entwickelt. Volvo übernahm den Motor in
Lizenz und ließ sich von Wolfsburg zuvor zusichern, dass die
Maschine nicht in Personenwagen zum Einsatz kommen würde. Im
244 GL D6 von 1979 wurde der Sechszylinder dann erstmals in
einem Volvo montiert, damals noch mit 109 PS. Die 20 PS
kräftigere Version im 780 Coupé ist mit einem
Garrett-Turbolader mit 0,7 bar maximalem Ladedruck
ausgerüstet. Der Wirbelkammermotor verfügt über eine oben
liegende Nockenwelle mit Zahnriemenantrieb, einen
Leichtmetall-Zylinderkopf und eine siebenfach gelagerte
Kurbelwelle.
Der konstruktive Aufwand machte sich bezahlt. Das
aufgerüstete VW.Aggregat überbot den bisher sportlichsten
Diesel, den BMW 524 td von 1983, um immerhin 19 PS. Setzt man
sich heute in den 780, sind die Erwartungen zunächst recht
niedrig. Von einem Selbstzünder aus den Achtzigern, weit vor
der kultivierten Common-Rail-Ära heutiger Tage, erwartet man
nicht allzu viel.
Ganz zu Beginn scheint der 780 das Vorurteil zu bestätigen.
Er nagelt nach dem Kaltstart recht laut und schickt bei jedem
Gasstoß eine kräftige Rußwolke durch den Auspuff. Doch schon
nach wenigen Minuten Warmlaufzeit wird das Triebwerk deutlich
ruhiger, und es stellt sich eine ganz unerwartete Harmonie
ein.
Der knapp 4,80 Meter lange, 1,5 Tonnen schwere 780 ist vom
Charakter ein relaxter Langstreckengleiter. Ein Gran Turismo
in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, aus der Zeit bevor
jedem aufgemotzten Kleinwagen das edle Kürzel GT ans Heck
geklebt wurde.
Für diese souveräne Art des Fahrens ist der Diesel ein
angenehmer Begleiter. Volvo kommt schließlich aus dem
Lateinischen und heißt „ich rolle“ – genau so will der 780 D
bewegt sein. Einmal warm und in Fahrt, verwöhnt er mit seinem
stämmigen Drehmoment von 240 Nm. Der kernige, im Coupé besser
als in der Limousine gedämpfte Klang wirkt bei höherem Tempo
in der Mischung der anderen Fahrgeräusche nicht mehr so
störend.
Der Diesel passt also gar nicht so schlecht zu diesem
Coupé, zumal er das fahraktivere Getriebe als der alternativ
im780 lieferbare Euro-V6 bietet. Der 147 PS leistende Benziner
war zwangsläufig mit einem Automatikgetriebe
gekoppelt,
während der Selbstzünder mit einem knackig zu schaltenden
Vierganggetriebe mit Overdrive-Knopf im Schalthebel
ausgestattet war. Und der Diesel ist mit knapp zehn Litern
Verbrauch das deutlich sparsamere Auto; der V6-Benziner
genehmigt sich im Schnitt fünf Liter mehr. Die zudem
lieferbaren Vierzylinder-Versionen (siehe Kaufberatung) galten
bei vielen Fans als nicht adäquat für ein so teures Auto –
sechs Brennkammern sollten es bei einem so exklusiven Coupße
schon sein.
Das Peugeot 406 Coupé HDI kann natürlich alles besser. Der
15 Jahre jüngere Konkurrent ist viel leiser, durchzugsstärker
und mit 7,6 Liter Verbrauch, den die auto motor und
sport-Tester ermittelten, auch noch sparsam. Der geschmeidige
Power-Diesel ist die ideale Motorisierung für den Beau aus
Frankreich. Bleibt als Wermutstropfen der Preis: 62 293 Mark
verlangt Peugeot für das Coupé. Ein guter 780 Turbo Diesel
Intercooler ist dagegen unter 15 000 Mark zu haben – eine
selbst zündende Idee.
Tanke Schön aus Motor Klassik 9/2001
|